L. Märki u.a.: Geschichte über die Auto-Mobilmachung

Cover
Titel
Mit Vollgas in 20. Jahrhundert. Eine Geschichte über die Auto-Mobilmachung im Schweizer Mittelland


Autor(en)
Lukas, Märki
Erschienen
Büren an der Aare 2010: Vereinigung für Heimatpflege Büren
Anzahl Seiten
160 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Juri Jaquemet

Das in vier Hauptkapitel gegliederte Buch gibt dem Leser reich bebilderte Einblicke in die Geschichte der «Auto-Mobilmachung im Schweizer Mittelland». Die geografische Bezeichnung im Titel ist jedoch nicht sehr glücklich gewählt. Das Buch bezieht sich praktisch «nur» auf die Region Biel – Solothurn am Jurasüdfuss.

Das erste Kapitel «Wo bitte geht’s zur nächsten Zapfsäule?» widmet sich dem Thema Tankstellen, Zapfsäulen, Garagen und Mineralölkonzerne. Die Beiträge – und dies gilt für das ganze Buch – sind nicht von Historikern, sondern grösstenteils von Zeitzeugen verfasst. Viele der Autoren waren beruflich an der «Auto-Mobilmachung» beteiligt. Unter den Autoren finden sich etwa Garagenbesitzer, Mitarbeiter der Autoindustrie, Architekten und Kenner der Lokalgeschichte.

Das zweite Kapitel «Automobil-Pioniere und -Produktion» widmet sich der schweizerischen Motorfahrzeugindustrie und ersten Besitzern von Automobilen. Schmunzeln lässt einen der folgende Briefwechsel: Der erste Berner Autobesitzer war ein gewisser Oberst Hamberger, der ein Geschäft für Nähmaschinen und Fahrräder betrieb und zur Eigenwerbung auch Velo-Rennen bestritt. Hamberger schrieb 1898 Carl Benz an und beanstandete «die praktische Unbrauchbarkeit des Einzylinder-Patent-Motorwagen». Carl Benz antwortete: «Herr Hamberger, Sie befinden sich in einem grossen Irrtum. Sie scheinen zu glauben, meine Motorwagen seien dazu bestimmt, als Verkehrsmittel zu dienen. Das ist durchaus nicht der Fall. Nach meiner Erfahrung haben sie lediglich den Zweck, Leuten, die sich gerne mit Maschinen befassen, gewissermassen als grosses Spielzeug zu dienen, wobei es nichts ausmacht, wenn sie gelegentlich auch auf der Strasse kleinere Störungen beheben müssen!»

Der Hauptartikel des zweiten Kapitels trägt den Titel «Montagewerk General Motors Suisse SA, Biel». Auf über 30 sehr lesenswerten Seiten lassen die Autoren Marcel Motzet und Klaus Brommecker (1962–1971 GM-Mitarbeiter) ein schon fast vergessenes Stück Schweizer Industriegeschichte wieder aufleben. Zwischen 1936 und 1975 fuhren in den Bieler Montagehallen insgesamt 329 864 Wagen vom Fliessband. Motzet und Brommecker schildern detailreich, wie in Biel seinerzeit Autos der Marken Buick, Chevrolet, Oldsmobile, La Salle (Cadillac), Vauxhall und Opel zusammengesetzt wurden.

Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Thema «Automobil und Architektur». Mit dem Aufkommen des Automobils Anfang des 20. Jahrhunderts mussten für dessen Massenproduktion, Vertrieb und Gebrauch adäquate bauliche Lösungen geschaffen werden. Dies bedingte, dass man in bis dahin ungewohnten Dimensionen planen und architektonische Lösungen suchen musste. Der Bieler Architekt Urs Külling dokumentiert im Buch vier entsprechende Beispiele aus der Region Biel – Solothurn. Die Fabrikation wird am Beispiel der GM-Montagehallen (1935) beschrieben. Zum Thema Handel und Verkauf werden die «Grand Garage du Jura SA» in Biel sowie das «Touringhaus» in Solothurn (beide Bauten um 1930) porträtiert. Das Thema Verkehr und Konsum wird anhand der Autobahnraststätte Deitingen-Süd (1968) illustriert.

Das vierte und letzte Kapitel des Buches widmet sich unter dem Titel «Traum und Trauma» der Konzeption und Ausbau des modernen Strassennetzes. Als Beispiel dient die N5/A5 in der Region Biel.

Das Buch leistet einen wertvollen Beitrag zur Verkehrsgeschichte der Region Biel – Solothurn. Die vielen Fotografien und Abbildungen ergänzen die Texte sinnvoll. Wissenschaftlichen Ansprüchen vermag die Publikation aber nicht immer zu genügen. Quellenoder Literaturverweise fehlen leider oft. Wünschenswert wäre auch ein Einführungstext gewesen, der den internationalen und nationalen Kontext des Themas aufgezeigt und den momentanen Forschungsstand zum Thema Automobil in der Schweiz festgehalten hätte. Sicherlich wäre es auch spannend, der Frage nachzugehen, ob die lokale Uhrenindustrie von der «Auto-Mobilmachung» profitierte. Lieferten Uhrenfabriken vom Jurasüdfuss die Autouhren / Borduhren? Seit wann wurden bei PKWs Uhren eingebaut? Ein erster Hinweis für weitere Forschungen ist im Buch aber dennoch enthalten: Die Neuenburger Firma Ebauches lieferte 1936 Autouhren an die Bieler GM. Zumindest in den 1930er-Jahren dürften die Autos aus Biel also mit Uhrwerken aus der Region ausgestattet gewesen sein.

Zitierweise:
Juri Jaquemet: Rezension zu: Märki, Lukas: Mit Vollgas in 20. Jahrhundert. Eine Geschichte über die Auto-Mobilmachung im Schweizer Mittelland. Büren an der Aare, Vereinigung für Heimatpflege Büren, 2010. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 73 Nr. 1, 2011, S. 62-64.

Redaktion
Autor(en)
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 73 Nr. 1, 2011, S. 62-64.

Weitere Informationen